Der Fotograf JUAN PÁEZ stellt die Frage: Wenn so viele Mitglieder der jüngeren Generation anderswo nach Berufs- und Ausbildungschancen suchen, kann Kolumbiens Kaffeekultur fortbestehen?
Seit 2011 gehört Marsella Risaralda zur von der UNESCO geschützten kolumbianischen Kaffeekulturlandschaft. Sie besteht aus sechs Bezirken mit 18 Städten in der Mitte der Anden. Im neunzehnten Jahrhundert haben sich Siedler aus Antioquia an das Gebiet angepasst. Neben einer einzigartigen Landschaft weist die Region auch eine ortstypische Architektur auf. In Marsella ist Kaffee nicht nur Teil der Landschaft, sondern tief in den Kulturtraditionen der Region verwurzelt. Kaffee ist in der Architektur von Marsella anwesend, er wirkt sich darauf aus, wie die Gemeinschaft zusammenkommt und feiert. Kaffee ist in den Speisen, in der Musik.
Aber es tut sich eine kulturelle Kluft auf: Die hohen Kosten der Kaffeeproduktion, der Absturz der internationalen Marktpreise, Arbeitskräftemangel und die Auswirkungen von Klimawandel führen dazu, dass junge Menschen anderswo nach besseren Chancen suchen. Und warum auch nicht? Was hätte das lokales Gemeinwesen davon, neben den tief verwurzelten kulturellen Traditionen auch eine Tradition der wirtschaftlichen Instabilität zu bewahren?

In den Billiard-Hallen gibt es immer Gespräche und frischen Kaffee. In der Stadt werden am Tag fünf Tassen Kaffee pro Person getrunken.

Die “Jeepaos” sind öffentliche Verkehrsmittel, um am die am schwersten zu erreichenden Ecken in der umliegenden Kaffeelandschaft zu erreichen. “Die gewundenen steinernen Bergwege machen es, schwer, Personen zu befördern und Kaffee zu transportieren,” sagt Juan.

Ein Pflücker läuft durch La Piscina (“Das Becken”), dem am nächsten an Marsella gelegenen Anwesen. Aufgrund seiner Größe und Nähe zur Stadt arbeiten viele Pflücker gerne hier.

Ein Kind läuft durch den Hof des Marsella Cultureto-Hauses. Das Gebäude dient auch als Museum der Paisa-Kultur und ist ein typisches Beispiel für den lokalen Baustil, der spanische Kulturmuster und die indigene Kultur der Region vereint und auf die Kaffeeproduktion angepasst ist.

Seit 75 ihrer 80 Jahre pflückt Maria Ángel Londoño, “Panchita,” schon Kaffee. “Sie ging nie zur Schule, weil ihr Vater sehr konservativ eingestellt war und verlangte, dass seine Töchter nicht in die Gesellschaft eingriffen,” so Juan. Sie glaubt nicht, dass Kaffeepflücken eine gute Lebensart ist, daher hat sie dafür gesorgt, dass ihre Tochter eine Ausbildung genossen, damit „sie nicht so leben müssen, wie ich leben musste.“

Kaffeepflücker beginnen ihren Arbeitstag um 5 Uhr morgens, noch vor Sonnenaufgang. Im Durchschnitt sammelt ein erwachsener Pflücker 80 bis 100 kg am Tag, die besten versuchen jedoch, am Tag mehr als 200 kg Kirschen zu sammeln. Junge Pflücker schaffen nur 40 bis 50 kg. Dafür verdienen Pflücker €49 (US$55) in der Woche.

Noelba Garcia (55) und ihre Tochter Manuela (14) posieren gemeinsam für ein Portrait. „Noelba sagt mir, dass das wichtigste, dass sie Manuela beibringen kann, sei, jede Notlage zu überstehen“, erzählt Juan. Als 2018 die Kaffeepreise abstürzten, musste Noelba, eine Kaffeepflückerin, zusätzlich noch in Hotels arbeiten und Chorizos machen (die sich gut verkauften), um ihr Einkommen aufzustocken. Trotzdem verdient sie im Monat nicht mehr €180 (US$200). Manuela besucht eine landwirtschaftliche Schule, arbeitet aber nicht gern auf dem Feld. Sie hat nicht das Gefühl, der Kaffeegemeinde anzugehören.

Julián Rosas bringt anderen Kindern aus den Randgebieten von Marsella bei, wie man Filterkaffee brüht. Dies hat er auf dem “Cafeteritos de Marsella”-Programm der Marsella Juega y Educa-Stiftung gelernt. Das Programm stammt aus der Feder des spanischen Architekten Javier Sánchez und regt junge Menschen dazu an, die lokale Kaffeekultur durch Spiele und Wissenschaft zu erkunden und anzunehmen. Viele Teilnehmer am Programm träumen davon, eines Tages ihr eigenes Unternehmen zu leiten.

Salomé López und Sofia Cortés sind Nutznießer der Marsella Juega y Educa-Stiftung, die von den Kaffeeanbauern der Region unterstützt werden. Im ersten Jahr nach seiner Gründung war die Fußballschule (Sonreír No Cuesta Nada, “Lachen kostet nichts”) Zweiter bei den nationalen Meisterschaften.
JUAN PÁEZ ist ein freischaffender Fotograf aus Bogotá, Kolumbien. Seine Werke sehen Sie auf Instagram unter @juanpaez83.
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